Sonntag, 24. März 2013

Depeche Mode: Neuer Meilenstein "Delta Machine"


Neues Album "Delta Machine": Keiner leidet so schön wie Depeche Mode

Schon lange war kein Depeche-Mode-Album mehr so durchgehend so düster wie "Delta Machine". Bereits der Opener "Welcome to my world" versetzt mit minimalistischen Beats und fiepsenden Soundschnipseln in die dunkle Seelenwelt des britischen Trios. "And if you stay a while, I'll penetrate your soul" heißt es da. Aber lieber Martin Gore, in Deiner Seele sind wir doch schon, seit Du vor mehr als 30 Jahren das Songschreiber-Zepter in die Hand genommen hast.

Nach dem gelungenen Einstieg des dreizehnten Studioalbums folgen zwei bereits bekannte Songs. "Angel", vorab vorgestellt auf einer Pressekonferenz Ende des vergangenen Jahres, könnte dem 93er Album "Songs of Faith and Devotion" entsprungen sein. "Heaven" als erste Single auszukoppeln, war erstmal eine mutige Idee. Sich nach vierjähriger Pause mit dieser vertonten Todessehnsucht zurückzumelden, wurde zwiespältig aufgenommen. Mittlerweile gehört der anfangs sperrige Titel wie selbstverständlich zum DeMo-Universum. Mit "Secret to the End" darf Sänger Dave Gahan erstmals auf "Delta Machine" beweisen, dass er sich als Songschreiber nicht nur weiter etabliert hat, sondern immer dichter auf den Spuren des Meisters Gore wandelt.

"My little Universe" startet deutlich reduziert und steigert sich zu einem nervösen Finale. Dann nimmt der Blues, den Depeche Mode schon so lange mit sich herum tragen, komplett Besitz von den drei Musikern. Bei "Slow", dieser Ode an den Sex, meint man, mit Gahan, Gore und Andy Fletcher auf einem Raddampfer auf dem Mississippi herumzutuckern. "Broken", erneut aus Gahans Feder, ist so etwas wie ein typischer Depeche-Mode-Song. Trauriger Gesang, wunderschöne Melodie, elektronische Klänge. "The Child Inside" gibt Mastermind Gore den Platz, den er benötigt, um seinem Weltschmerz den Platz zu geben, den dieser benötigt. Eine feine, ruhige Ballade. 

Es folgt der Stanpfer "Soft Touch/Raw Nerve", bevor es mit "Should be Higher" wieder poppig und fast hymnisch wird. Das dritte von Gahan verfasste Stück überzeugt mit einem starken Refrain und seiner Stimme, die er in unbekannte Höhen schwingt. Die mit Techno-Bass verstärkte Aggro-Ballade "Alone" überrascht mit eingestreuten japanisch klingenden Soundstücken. Eine spannende Angelegenheit. Richtig poppig wird es auf "Delta Machine" eigentlich nur einmal, mit "Soothe my Soul", dem zwölften Track. Das Schlagzeug klingt im Refrain ein wenig nach "Personal Jesus". Textlich scheint Gore ein Stalkerleben zu beschreiben. Wollen wir mal hoffen, dass es sich bei der zweiten Single nicht um eine Vergewaltigungs-Hymne handelt, sondern um eine Metapher für reine, pure Lust. "Goodbye" klingt erneut nach einer Raddampfer-Fahrt. Ein unglaublich eingängiger Blues-Hook krallt sich die Ohren des Hörers, verbeißt sich darin und gipfelt in einem herrlich aufgestauten Soundfinale. 

Das verwirrende, zerrissene, überraschende, experimentelle, bluesige, schwere Meisterwerk "Delta Machine" geht würdig zu Ende.

Neben dem obigen Link kann man sich das Album auch hier anhören: http://www.myvideo.de/channel/depeche-mode-official



Falls es bis hierhin noch niemand aufgefallen ist: das ist so ziemlich die einzige Review, bei der die Worte "Personal Jesus", "Enjoy the Silence", "Violator" oder "früher" nicht verwendet wurden. Mich nerven nämlich die "Kritiken", die ständig darauf herumreiten, dass Depeche Mode in den 80ern oder frühen 90ern am Besten gewesen sein sollen. Vielmehr haben es die Engländer immer wieder geschafft, mit jedem Album zu überraschen. Das machen sie auch mit "Delta Machine" wieder eindrucksvoll. "DM" hat den gleichen Effekt, wie alle DeMo-Alben aus dem neuen Jahrtausend: man muss sich tatsächlich darauf einlassen und entdeckt die ganze Schönheit der Songs erst nach dem zweiten, dritten Hören. Wer sich diese Lebenszeit ersparen möchte, kann dies gerne tun. Aber dann doch so fachmännisch sein, einfach mal die Klappe zu halten und nicht immer auf den alten Zeiten herumschnarchen.

Stefan Bohlander


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